Schutzschilder

„Du bist ja ziemlich faul! So gut wie du hätte ich es auch gern mal! Fetter Pumuckel! Denkst du, dass du da richtig gehandelt hast? Wenn ich dich jetzt verletzen wollte, würde ich sagen, dass du deine Klamotten in der Zeltabteilung einkaufst! Eine Scienetology-Anhängerin, die Chakra-Wasser trinkt.“

Aussagen von Menschen, die mir nahe stehen oder von Menschen, die mich nicht kennen oder Menschen, die denken mich zu kennen. Manchmal sagen es mir die Leute ins Gesicht, manchmal erfahre ich es von anderen… Die meisten Aussagen treffen gar nicht auf mich zu. Eigentlich gar keine. Aber einmal gesagt krallen diese Aussagen sich in meinem Kopf fest und und sofort, wenn ich mir selbst sage, dass das totaler Quatsch ist, schreien meine Selbstzweifel: „Oder?“Vielleicht bin ich faul? Vielleicht bin ich fett, rote Haare habe ich ja auch?! Meine Selbstzweifel rufen dann meist meine Zukunftsängste noch an und verabreden sich mit meinem Hang zur Rache für Gerechtigkeit, um an meinem Schutzschild rumzukabbern. Es gibt manche Tage, da passiert so viel… Da reisst einem die Einkaufstüte, man vergisst den Müll runter zu bringen als gerade der Müllwagen vorbeifährt, da schafft man es nicht pünktlich zu einem Termin und man bemerkt erst wenn es zu spät ist, dass man nen Marmeladenfleck auf dem Shirt hat…Und an solchen Tagen kommen so nette Aussagen einfach nicht so gut bei mir an. In der Vergangenheit hat es des öfteren dazu geführt, dass dann meine Emotionen ne wilde Metallparty in meinem Bauch geschmissen haben und ich nicht mehr dazu fähig war einen Fuß vor den anderen zu setzen. Heute kommt es in solchen Momenten eher dazu, dass ich genervt bin und versuche mich irgendwie wieder zu erden. Dies tue ich durch Laufen gehen, Schreiben, malen tanzen oder singen. Meist bin ich dann patzig zu denen die mir am Liebsten sind, weil sie einfach die meiste Zeit um mich herum sind. Das tut mir dann immer so leid, was die blöden Gefühle noch schlimmer macht und einen weitzern großen Anteil daran haben, dass mein Schutzschild noch mehr Löcher bekommt und an manchen Stellen richtig porös ist. Aber wie kommt jemand, der mich nicht kennt auf die Idee ich würde Scienetotlogy angehören? Ziehe ich mich vielleicht falsch an? Vielleicht denkt dieser Mensch so über mich, weil ich irgendetwas gemacht habe, dass annehmen lässt ich wäre faul? Vielleicht habe ich in einer Situation nicht mein bestes gegeben? Das wäre wirklich doof. Ich sollte in Zukunft einfach mehr darauf achten. Ich bin ein schlechter Mensch.

Und während ich in meinen Ich-Botschaften versinke und versuche meinen gesteigerten Perfektionismus zur Ruhe zu bringen, mach der Rest mit ihren Du-Botschaften weiter. Ich habe mir die Ich- und Du-Botschaften von meiner Tochter erklären lassen. Meine Tochter nimmt das gerade in der Schule durch und wir haben zusammen anhand eines fiktiven Streitgesprächs Ich- und Du-Botschen ausprobiert. Sie war ganz wild darauf mit jedem diese zu üben und dabei ist mir aufgefallen, dass ich sehr oft Ich-Botschaften benutze.

Du hast meinen Stift kaputt gemacht.

Das habe ich nicht mit Absicht gemacht.

Du wolltest dich an mir rächen.

Ich will mich nicht rächen. Er war ein Versehen.

Du hast es mir aber nicht gleich gesagt.

Ich hatte keine Zeit.

 

Eigentlich sollen Du-Botschaften nicht benutzt werden, weil sie eine Beschuldigung bedeuten. Viel lieber sollte man auf Ich-Botschaften umschwenken, um eigene Empfindungen zu äußern.

Ich bin sauer darüber das du meinen Stift kaputt gemacht hat.

Das habe ich nicht mit Absicht gemacht.

Ich habe das Gefühl, dass du dich an mir rächen wolltest.

Nein, wie kommst du darauf, dass ich mich rächen wollte?

Weil ich immer noch ein schlechtes Gewissen habe, weil ich letztens deine Tasse kaputt gemacht habe.

Ist nicht so schlimm.

 

Wenn mich jemand angreift oder besser gesagt, wenn ich denke, dass mich jemand angreift, dann rutsche ich sofort in die Ich-Botschaften und mein Ich-Ohr nimmt alles auf. Mein Du-Ohr sieht und hört eigentlich auch immer mit und ich weiß, dass dumme, gemeine oder einfach daher gesagte Aussagen daher rühren, dass ihr Adressat irgendwelche Probleme mit sich trägt und mich das gar nicht verletzen soll… Und dennoch wird dann fleißig an der Zerstörung meines Schutzschildes gearbeitet.

Je löchriger mein Schutzschild, desto sensibler bin ich. Wenn dann zu viele äußere Reize auf mich einfallen, desto häufiger und länger bleibe ich am Boden und fühle mich unglücklich. Doch ich arbeite sehr hart an mir und trainiere täglich. So kann ich jetzt schon laut und deutlich „Nein!“ sagen. Ich kann auch sagen, wenn mich etwas verletzt hat oder wenn ich etwas doof finde, ohne gleich in der Angst zu zerschmelzen, dass die Person mich dann vielleicht nicht mehr mag.

Leider sehe ich noch viele Menschen um mich herum dessen Schutzschilder sehr durchlässig und kaputt sind. Sie können dann nicht mehr aufstehen, haben wahnsinnige Rückenschmerzen oder sind einfach so müde, dass sie ihre ganze innewohnende Power und Schönheit nicht rauslassen können. Da nagt der Selbstzweifel so sehr, dass sie sich selbst und ihre Schönheit nicht mehr sehen und fühlen können.

Mir ging es anfangs nicht anders, doch ich arbeite jetzt hart am Wiederaufbau und ich denke, dass es mir ganz gut gelingt, denn ich bin nicht mehr so oft am Boden zu finden.

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